Die Lieferketten sind in der letzten Zeit stark unter Druck geraten. Die Pandemie, die zahlreichen geopolitischen Konflikte und die steigenden Transportkosten haben die Abhängigkeit von den global verteilten Strukturen sichtbar gemacht. Parallel dazu wächst das Bedürfnis der Konsumenten nach Produkten mit regionaler Herkunft und einer transparenten Herstellung.
Vor diesem Hintergrund geht von den Produktionsstandorten in Europa eine neue Bedeutung aus: Nähe und Kontrolle werden zu strategischen Faktoren, die durch mehr als nur die klassische Kostenkalkulation beeinflusst werden.
Unternehmen setzen neue Prioritäten
Viele Betriebe hinterfragen aktuell, wie krisenfest sich ihre Wertschöpfung wirklich gestaltet. Laut einer Analyse der Europäischen Zentralbank aus dem Jahr 2023 ziehen Unternehmen zunehmend in Betracht, Teile der Produktion näher an ihre Absatzmärkte zu verlagern. Die Gründe dafür bestehen neben den Versorgungsrisiken auch in einer höheren politischen Stabilität, mehr rechtlicher Sicherheit und einem berechenbaren Umfeld.
Die globale Vernetzung bleibt, jedoch verändert sich ihr Gewicht: Resilienz zählt inzwischen ebenso stark wie Effizienz. Im Bereich der Konsumgüterindustrie zeigt sich dieser Wandel besonders deutlich, beispielsweise bei der Kosmetikherstellung in Deutschland. Diese Branche setzt aktuell verstärkt auf regionale Lieferketten. Rohstoffe, Verpackungen und die Endfertigung liegen häufig dicht beieinander. Dies erleichtert die Qualitätskontrolle, reduziert die Transportwege und erhöht außerdem die Glaubwürdigkeit in Fragen der Nachhaltigkeit.
Überzeugende Standortvorteile des europäischen Binnenmarkts
Neben den sichereren Lieferketten rücken noch andere Vorteile ins Blickfeld. Der europäische Binnenmarkt bietet zum einen einheitliche Standards, die den Handel erleichtern. Unternehmen profitieren zum anderen durch die Nähe zu Forschungsinstituten, qualifizierten Fachkräften und einem dicht vernetzten Zuliefererumfeld. Die kurzen Wege zwischen Entwicklung, Produktion und Vertrieb ermöglichen eine schnellere Reaktion auf Trends und Nachfrageänderungen.
Hinzu kommt die Erwartung der Konsument:innen, dass sich die Produkte sowohl technisch hochwertig zeigen als auch sozial und ökologisch verantwortungsvoll hergestellt werden sollen. Labels wie „Made in Germany“ oder „Made in Europe“ besitzen in diesem Zusammenhang auch heute noch eine hohe Strahlkraft.
Wirtschaftliche Abwägungen
Dennoch ist die Rückverlagerung von Produktion kein Selbstläufer. Die Arbeits- und Energiekosten sind in Europa höher als in vielen asiatischen Ländern. So gewinnen sogenannte Total-Cost-of-Ownership-Betrachtungen an Bedeutung. Neben den Löhnen fließen Transport, Lagerhaltung, Währungsrisiken und Nachhaltigkeitsanforderungen in die Kalkulation ein. In dieser Gesamtbetrachtung relativieren sich viele vermeintliche Kostenvorteile ferner Standorte.
Zudem investieren die europäischen Staaten in Förderprogramme für Reshoring und Industrieprojekte. Die verbundenen Steuererleichterungen, Zuschüsse für Energieeffizienz oder Digitalisierungsinitiativen senken die Einstiegshürden und machen entsprechende Investitionen gleich wesentlich attraktiver.
Welche Herausforderungen gilt es zu meistern?
Auch wenn die Chancen überwiegen, bleiben einige Hürden bestehen, wenn es um europäische Standorte geht.
Der sich zuspitzende Fachkräftemangel betrifft vor allem hochspezialisierte Branchen wie die Chemie, die Elektronik oder die Biotechnologie. Dazu kommen noch komplexe regulatorische Vorgaben, die von den Unternehmen genau beachtet werden müssen. Eine sorgfältige Standortanalyse ist deshalb unverzichtbar, bevor die Produktionskapazitäten zurückverlagert oder neu aufgebaut werden.
Europa steht für Resilienz, Transparenz und Qualität
Dass sich europäische Produktionsstandorte im Aufwind befinden, ist ein Zeichen für einen strategischen Wandel. Im Rahmen dessen reduzieren sich die Risiken für die Firmen, gleichzeitig wird wichtiges Vertrauen geschaffen. Unternehmen, die ihre Fertigung näher an ihre Märkte und Kunden bringen, gewinnen außerdem sowohl an Flexibilität als auch an Glaubwürdigkeit.
Wird heute in Europa investiert, lassen sich entscheidende Vorteile in einer Zeit schaffen, in der Resilienz, Transparenz und Qualität über den langfristigen Erfolg entscheiden.
